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Noch nicht reif für die 2. Liga
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Pressebericht Männer 1
Donnerstag, 22.12.2022 - 2970 Klicks
Noch nicht reif für die 2. Liga
INTERVIEW HSG Hanaus Coach Hannes Geist sieht Handlungsbedarf / Kampf um Nachwuchstalente

Von einem Aufstieg will Hannes Geist noch nichts wissen: Der Cheftrainer des Handball-Drittligisten HSG Hanau spricht zum Jahresabschluss über Ambitionen, die hohe Leistungsdichte in der Region und die weitere Professionalisierung des Tabellenzweiten der Süd-West-Staffel.

HSG Hanau auf Platz zwei, TV Gelnhausen auf vier, HSG Rodgau Nieder-Roden auf Platz fünf der Tabelle der 3. Liga Süd-West: Ein Zeichen für die starke Handball-Hochburg Main-Kinzig/Offenbach?

Die Staffel Süd-West ist allgemein sehr ausgeglichen. Alle drei Vereine aus dem Main-Kinzig-Kreis und Offenbach leisten seit Jahren gute Arbeit und in diesem Jahr ist es an der Spitze ein bisschen geballter. Das ist auch bedingt durch die Staffeleinteilung. Es sind kleinere Staffeln, da kommt das schon mal zusammen. Das ist aus meiner Sicht aber nichts Besonderes, es war auch in den vergangenen Jahren so, dass die drei Mannschaften im oberen Drittel mitgespielt haben.

Wie sieht das mit Blick auf junge Talente aus: Ist die Dichte der starken Vereine gut oder kann das auch ein Nachteil sein?

Grundsätzlich belebt Konkurrenz das Geschäft. Da muss jeder Verein seinen eigenen Weg finden. Nun ist es aber so, dass sich alle drei Vereine vom Weg ähneln. Aber die Region ist so groß und hat so ein großes Einzugsgebiet, dass sich das verteilt. Für den Handballsport ist das natürlich extrem gut, eine breite Basis zu haben. Damit sich Talente entwickeln und nach oben kommen können. Mit Vereinsbrille geschaut, ist es natürlich immer am besten, wenn man die größten Talente im eigenen Verein hat. Das brauchen wir nicht verhehlen. Aber wie gesagt, jeder Verein beschreitet seinen Weg anders.

Das bedeutet?

Wir können nur für uns als HSG Hanau reden. Wir sind im Vergleich zu beiden anderen Vereinen von der D-Jugend bis zur A-Jugend in jeder höchsten Spielklasse vertreten. Da zähle ich auch unsere zweite Mannschaft in der Oberliga Hessen hinzu. Das haben die anderen beiden Vereine nicht. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der HSG Hanau. Bei Gelnhausen hat sich das Stärken der Jugendarbeit erst die letzten Jahre extrem entwickelt - die Hintergründe kenne ich nicht, aber es war später als bei uns. Das gilt auch für Nieder-Roden. Beide Vereine profitieren jetzt davon, dass sie mehr in die Jugendarbeit investiert und sich breit aufgestellt haben. Für die Region ist das super, denn so kann sich keiner ausruhen. Für uns als Verein ist es deutlich anstrengender, die besten Talente zu finden. Wobei die außergewöhnlichen Talente eher selten bei ihren Heimatvereinen bleiben, sondern weiter in die Leistungszentren ziehen.

Können Sie Beispiele nennen?

Beste Beispiele sind Tarek Marschall, nach der Jugend zum HC Erlangen, Can Adanir, der nach der Jugend zu den Rhein-Neckar Löwen ging und Philipp Ahouansou, der bereits in der B-Jugend von der HSG Hanau zu den Rhein-Neckar Löwen gegangen ist und mittlerweile in der Bundesliga seine Zeiten bekommt - da können wir auch stolz drauf sein. Nieder-Roden hat mit Ben Seidel gerade eine außergewöhnliche Situation (Nieder-Rodens Ben Seidel ist U19-Nationalspieler, Anm. d. Red.). Die größten Talente müssen über kurz oder lang in die besten Leistungszentren und das ist aus meiner Sicht auch in Ordnung.

HSG Hanau bedeutet Jungs- bzw. Männer-Handball. Gibt es Bestrebungen im Mädchen-Frauenbereich?

Wir hatten fünf Jahre eine Damenmannschaft. Es ist eine aktuelle gesellschaftliche Diskussion von Männerfußball, Frauenfußball, Equal Pay, Gleichberechtigung - klar, dass dieses Thema irgendwann auf Vereine zukommt, die sich für einen Weg entschieden haben. Wir halten da aber nichts von Aktionismus. Wir glauben, andere Vereine haben im weiblichen Bereich eine größere Stärke und der Mädchen-Handball sollte dort auch weiter gefördert werden. Ob das für die Zukunft für uns ein Thema ist, muss man davon abhängig machen, wie dann die Struktur des Vereins aussieht. Außerdem gibt es in unserem Umfeld Vereine, die die Expertise im weiblichen Bereich haben: Die JSG Buchberg, die sehr stark im weiblichen Bereich ist, dazu die HSG Rodgau Nieder-Roden und die TSG Offenbach-Bürgel. Auch da stellt sich die Frage nach Talenten. Wir haben immer wieder Mädchen, die bei uns das Handballspielen erlernen und bis zur D-Jugend bei uns sind. Aber es war noch nie die Masse, dass wir eine C-Jugend gründen konnten. Wir würden das nicht ausschließen, aber es wird sich zeigen müssen. Vielleicht ist es jedoch die bessere Option, in diesem Bereich mit anderen Vereinen zu kooperieren.

Das langfristige Ziel der HSG Hanau heißt 2. Liga: Ist der Verein strukturell bereit für den Schritt?

Das ist mir jetzt neu, dass wir in der Öffentlichkeit gesagt haben, dass wir langfristig in die 2. Liga wollen. Sicherlich ist es so, dass wir die nächsten Schritte vorbereiten. Sportlich wird es immer besser. Strukturell hatten wir Mitte des Jahres ein paar Veränderungen gehabt, müssen uns jetzt neu sortieren. Wir wollen die Grundlagen legen, um die nächsten Schritte zu ermöglich. Auch im finanziellen Bereich. Am Ende des Tages brauchen wir Partner, die auch in die Idee, die wir haben, investieren. Da suchen wir neben unseren treuen Partnern und Unterstützern immer weiter neue Partner, die diesen Weg begleiten wollen. Infrastrukturell bekommen wir viel Unterstützung von der Stadt Hanau, das sind unglaublich gute Voraussetzungen, die auch nicht jeder Handball-Standort in Deutschland bieten kann. Hanau mausert sich immer mehr zu einem kleinen Handball-Standort, der in Deutschland bekannt ist. Dazu zählt auch das Engagement für die Bundesinitiative Demokratie leben.

Sie sprechen davon, die nächsten Schritte zu gehen. Die HSG Hanau hat in den vergangenen beiden Jahren in der Aufstiegsrunde zur 2. Liga mitgespielt: Da ist der nächste Schritt doch der Aufstieg in die 2. Liga.

Kann man so interpretieren, keine Frage. Sicherlich ist es für jeden Sportler so, dass er jedes Spiel gewinnen möchte. Das gilt auch für uns. Und wenn man jedes Spiel gewinnt, dann kommt meistens auch eine Meisterschaft oder ein Aufstieg dabei rum. Der nächste Schritt ist aber eher das Thema, dass wir in den letzten zwei Jahren angestoßen haben: Den Verein zu stabilisieren und unsere Weiterentwicklung fortzuführen. Wir müssen die Voraussetzung schaffen, dass wir, wenn wir den Aufstieg sportlich schaffen, auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür haben. Auf einen Aufstiegstourismus hat der Verein keine Lust. Durch 17 Hallen in Deutschland zu fahren und nur zu verlieren, macht keinen Spaß. Von daher muss alles auf ein solides Fundament gestellt werden. Sportlich sind wir gut aufgestellt, doch auch die Mannschaft entwickelt sich weiter. Jetzt schon groß von Aufstieg oder 2. Liga zu reden, halte ich für verfrüht.

In welchem Bereich besteht Handlungsbedarf?

Es besteht überall Handlungsbedarf, um uns weiterzuentwickeln. Wo wir uns breiter und besser aufstellen wollen, ist im Partnermanagement. Da gab es in den letzten Jahren viele Umstrukturierungen, da wollen wir jetzt Kontinuität reinbringen. Um am Ende des Tages Partner für die Idee HSG Hanau zu begeistern, um sie auf dem Weg mitzunehmen.

Und die sportlichen Schritte? Sie haben vor der Saison schon auf fünf Trainingseinheiten erhöht.

Das ist total lustig, dass das so eine Nachricht ist (lacht). Mit der fünften Trainingseinheit haben wir eine zweite Krafttrainingseinheit dazugenommen. Auch wenn der ein oder andere denkt, dass wir mit 200 Kilo Bodybuilder ausbilden. Das ist es aber nicht. Aber am Ende ist Handball ein dynamischer und körperlicher Sport und wenn ich den Körper gut vorbereite, kann ich das Verletzungsrisiko minimieren. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vielzahl von Spielern die ganze Saison durchhält. So verteilen wir mit der zusätzlichen Einheit die Belastung anders und können mehr Zeit in die Pflege des Körpers investieren. Und dazu gehört Krafttraining, um widerstandfähiger zu sein und mehr Leistung abrufen zu können. Das ist eine Lehre aus den Aufstiegsrunden, da waren wir irgendwann der Belastung nicht mehr so gewachsen.

Was waren denn abgesehen vom Trainingsumfang die anderen Schritte im sportlichen Bereich?

Wir haben in ein größeres Trainerteam investiert. Neben Oli Lücke haben wir mit Björn Pape einen Athletiktrainer, Markus Breidenbach einen Torwarttrainer, Ann-Cathrin Oefner eine Physiotherapeutin und seit dieser Saison mit Björn Christoffel einen Teammanager, der regelmäßig da ist. Zusätzlich haben wir zu unserem Vereinsarzt Dr. Ronald Yazdi mit der Praxis PhysioAktiv Hehner aus Steinheim einen Partner, der uns die Möglichkeit bietet, Spieler zusätzlich behandeln zu lassen. Umso mehr wir mit der Mannschaft in unterschiedlichen Bereichen arbeiten, umso besser können wir die unterschiedlichen Bereiche steuern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Spieler verletzungsfrei bleiben und somit langfristig am Trainings- und Wettkampfbetrieb teilnehmen. Somit ergibt sich ein langfristiger und kontinuierlicher Leistungsaufbau. Und dadurch setzt man sich dann auch von dem ein oder anderen Konkurrenten ab. Am Ende des Tages möchten wir, dass die Spieler spielen und erfolgreich sind.

Die Saison verlief bisher gut. Wie zufrieden sind Sie mit der Hinrunde?

Sportlich ist der Verlauf wirklich gut. Wir stehen mit 27:5 Punkten nach 16 Spielen da. Von den fünf Minuspunkten haben wir einen in Saarlouis verloren, wo wir gewinnen können, wenn wir etwas reifer sind. Wir haben in Ferndorf verloren, wo wir meiner Meinung nach 50 Minuten die bessere Mannschaft waren und am Ende des Tages die glücklichere Mannschaft gewonnen hat, weil wir vielleicht noch nicht so stabil waren. Und wir verlieren zu Hause unnötigerweise das Derby gegen Nieder-Roden, wo wir wahrscheinlich auch einen Punkt verdient gehabt hätten. Von daher kann man von einer guten Hinrunde sprechen. Allerdings traten wir auswärts befreiter auf, das ist klar festzustellen.

Woran liegt das, dass die Mannschaft auswärts befreiter auftritt?

Mein Trainerteam und ich haben das Gefühl, dass die Jungs sich zu Hause extrem unter Druck setzen. Sie wollen zeigen, was sie können. Im Vorfeld haben viele gesagt, mal schauen, was nach dem Umbruch rumkommt. Da machen sich die Jungs Druck und wollen zeigen, dass sie das können. Da waren sie dann vielleicht ein oder zwei Prozentpunkte drüber und verkrampfen. So ist das ein oder andere Spiel dann ein bisschen Stückwerk gewesen. Aber am Ende des Tages ist Handball ein Ergebnissport. Da ist es mir lieber, aus Zuschauersicht schlecht zu spielen und zu gewinnen, als gut zu spielen und zu verlieren. Jedoch wird die Mannschaft immer routinierter.

Was ist das Ziel für die Restsaison?

Erstmal vorneweg: Was unglaublich überragend an der Mannschaft ist, ist, dass sie 60 Minuten glaubt, das Spiel gewinnen zu können. Die Ergebnisse stimmen und wir sind auf einem guten Weg. Aber man muss immer nachjustieren. Als Trainer ist man nie zufrieden. Gut ist, dass wir es durch unsere mentale Stärke viel öfter hinbekommen haben zu entscheiden, wie sich das Spiel gestaltet und ausgeht. Ich glaube, dass das sehr viel mit dem Körperlichen zu tun hat, weil wir einfach fit sind. Da wollen wir aber auch noch nachlegen. Handballerisch haben wir noch viele Entwicklungsfelder. Unser Tempospiel wird wieder besser und das wollen wir weiter forcieren. In Pohlheim sind wir in der zweiten Hälfte über 20 Tempoaktionen bei 27 Angriffen gelaufen - das ist gut und das möchten wir weiter ausbauen. In der Abwehr sind wir schon weit. Da wollen wir das zweite System, die 5:1-Abwehr, weiter forcieren. Woran wir weiter arbeiten müssen, ist unser Überzahlspiel. Das hat sich während der Saison gesteigert, aber da dürfen wir noch besser werden. Und dann gibt es natürlich noch Verrücktheiten.

Welche wären das?

Wir haben noch in keinem Spiel den siebten Feldspieler eingesetzt. Dazu gehören auch Kempa-Tricks aus unterschiedlichen Situationen. Daran arbeiten wir, müssen das aber erst entwickeln, damit eine gewisse Routine entsteht. Das sind die Stellschrauben, an denen wir drehen wollen.

Das Gespräch führte Julia Meiss


Hannes Geist

Der Heimatverein von Hannes Geist ist der HC Empor Rostock. Vor etwa sieben Jahren verschlug es den Kreisläufer vom damaligen Oberligisten HSG Kahl/Kleinostheim zur HSG Hanau, seiner neuen sportlichen Heimat. Für die HSG ackerte Geist auf dem Feld als Kreisläufer, war und ist aber auch neben der Seitenlinie tätig. Zunächst coachte der heute 35-Jährige die A-Jugend-Bundesligamannschaft, übernahm dann mit der ersten Mannschaft das Flaggschiff des Vereins. Der Mühlheimer ist Geschäftsführer der HSG.

Quelle: Hanauer Anzeiger vom 22.12.2022
Artikel übernommen von Andreas Kautz am 27.12.2022
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