In der entscheidenden Phase der Saison ist Jannik Ruppert, der Kapitän der HSG Hanau, zum Zuschauen verdammt: Wegen einer schweren Knieverletzung verpasst der Rückraumspieler den Großteil der Spiele in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga, so auch heute das letzte Spiel gegen den TV Emsdetten (27.05.2023, 19.30 Uhr, Main-Kinzig-Halle).
Wir haben mit dem Rechtshänder über seine nicht ganz einfache neue Rolle, den großen sportlichen Erfolg seiner Mannschaft und seine Zukunft nach der Verletzung gesprochen.
Herr Ruppert, im Spiel gegen Vinnhorst haben Sie sich eine Verletzung zugezogen, mussten vom Feld humpeln und fallen seitdem aus. Was genau ist passiert und was haben die anschließenden Untersuchungen ergeben?
Im Spiel gegen Vinnhorst haben wir wie üblich mit viel Tempo nach vorne gespielt, ich bin auf die Abwehr gelaufen, habe mit meinem rechten Bein beim Wurf aber einen zu großen Schritt gemacht. Mein Knie ist deshalb nach hinten geknickt und ich habe es mir dabei verdreht. Die Untersuchung hat leider ergeben, dass ich mir das vordere Kreuzband im rechten Knie gerissen habe. Die gleiche Verletzung hatte ich 2019 schon einmal, damals im linken Knie.
Wie geht es für Sie nach dieser Verletzung weiter?
Ich muss mit dieser Situation erst einmal klarkommen. Ich habe das ganze Prozedere mit Operation und mehrmonatiger Reha ja schon einmal durchgemacht, damals allerdings in einem anderen beruflichen Alltag. Ich habe nach dieser ersten schweren Verletzung eigentlich gedacht, dass es das für mich war, falls mir so etwas noch einmal passieren sollte. Im Moment weiß ich nicht, wie es weitergeht, und möchte die ohnehin handballfreie Zeit im Sommer nutzen, um mir darüber Gedanken zu machen. Es gibt ein paar ungeklärte Fragen und ich möchte viel mit meinen Vertrauten darüber sprechen. Es ist möglich, dass ich mit dem Leistungssport auf diesem Niveau aufhöre. Aber selbst wenn ich mich im Herbst operieren lasse, könnte ich wohl frühestens während der Vorbereitung auf die übernächste Saison wieder ins Mannschaftstraining einsteigen.
In der heißen Phase der Saison ist es sicher besonders schwer, nur zuschauen zu können, oder?
Im Moment fällt es mir noch relativ leicht, weil ich ja die ganze Saison über sehr nahe dabei war und wir zusammen auch gewisse Ziele erreicht haben. Ich weiß aber, dass das auf Dauer nicht immer so einfach sein wird, denn irgendwann gibt es da eine Distanz, weil man in der Reha seinen eigenen Weg gehen muss und nicht mehr auf die gleiche Art ein Teil des Erfolgs sein kann. Ich versuche allerdings im Moment, das Team so gut wie möglich zu unterstützen und werde das auch in Zukunft tun.
Ihre Mannschaft ist mit 4:4 Punkten gut in die Aufstiegsrunde gestartet, danach wirkte es ein bisschen so, als ginge dem Team die Puste aus. Wie sehen Sie das?
Es ist schon so, dass wir jetzt größeres Verletzungspech haben – Can Adanir, Jan-Eric Ritter und Dennis Gerst sind ja auch ausgefallen – als in der Hauptrunde, wo wir von Verletzungen praktisch verschont geblieben sind. Jetzt in der Aufstiegsrunde haben wir gemerkt, dass wir in jedem Spiel immer hundert Prozent geben und es voller Emotion angehen müssen, zudem ist es körperlich ein ganz anderer Handball als in der Hauptrunde. Das führt zu mehr Blessuren bei den Spielern, weshalb wir die Trainingsintensität angepasst haben, damit unsere Körper in Form bleiben – an der Belastungssteuerung liegt die Verletztenmisere also nicht.
Was ist dann der Unterschied?
Der Unterschied zu einigen anderen Teams aus der Aufstiegsrunde ist aber, dass sie auf einer Position oft noch einen zweiten oder dritten Spieler mit viel Erfahrung haben und die Spielzeit so mehr verteilen können, weil sie mehr Qualität in der Breite haben. Unserer Mannschaft kann man keinen Vorwurf machen, wir bringen alles auf die Platte und haben gezeigt, dass wir auch mit dezimiertem Kader mithalten können. Ich denke da an Spieler wie Max Moock, die in der Hauptrunde nicht viel gespielt haben und ihre Sache auf dem Spielfeld jetzt sehr gut machen.
Mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga ist es diesmal dennoch nichts geworden – schmälert das die Freude über die eigentlich so erfolgreiche Saison?
Nein, für mich schmälert das überhaupt nichts und ich sehe das auch nicht als Misserfolg. Als wir uns die Meisterschaft in der Süd-West-Staffel geholt haben, haben wir das zwar tatsächlich nicht so sehr gefeiert, sondern uns gesagt, dass wir in der Aufstiegsrunde alles raushauen wollen. Mit dem Aufstieg hat es nicht geklappt, aber spätestens in der handballfreien Zeit werden alle realisieren, was für ein Riesenerfolg das für den Verein war. Wir haben in der Aufstiegsrunde Spiele auf höchstem Niveau bestritten, und genau in solchen Spielen entwickelt man sich weiter. Das ist für uns der große Mehrwert, denn diese Erfahrung nehmen wir in die nächste Runde mit. Zum Abschluss der Aufstiegsrunde wollen wir aber so oder so gerne weitere Punkte holen, aber auch sonst war das schon die erfolgreichste Saison seit Gründung der HSG Hanau.
Dabei stand die HSG bereits zum dritten Mal in der Aufstiegsrunde – was war diesmal anders?
Ich denke, man hat zum Beispiel in den Spielen gegen Aue oder Vinnhorst gesehen, dass wir auf ganz hohem Niveau mithalten können. Um wirklich aufsteigen zu können, gehört auch Glück dazu oder ein professionelles Umfeld, und da sind uns andere Vereine noch ein Stück voraus – aber viele unserer Gegner waren ja schon einmal in der 2. Bundesliga und haben dadurch ganz andere Strukturen. Ich sehe uns aber trotzdem unter den fünf besten Teams der Liga, handballerisch sind wir da auf einem Niveau, strukturell fehlt uns noch etwas. Das bauen wir aber auf, und zwar Schritt für Schritt – und deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass wir dieses Level halten können.
Das Gespräch führte Robert Giese